Meine persönliche Stillzeit
„Die güngstigen Umstände, die eine Mutter braucht um das Stillen zu erlernen, entsprechen am ehesten jenen Bedingungen, die im allgemeinen als günstig für den sexuellen Liebesakt gelten: ein behagliches, warmes Bett, Ungestörtheit, eine entspannte Atmosphäre und ein Gefühl zeitloser Muße.“
Ich stille seit 4 Jahren mit kleinen Unterbrechungen von jeweils 2 Monaten. Mr. A ist mein drittes Stillbaby. Das bedeutet die 2 Buben davor habe ich jeweils fast bis zu ihrem 2. Geburtstag gestillt. Bei mir hat sich das Stillen von Anfang an wie ein automatisch ablaufender Reflex angefühlt. Ich hatte bis dato noch nie ein Problem mit dem Stillen und damit meine ich offensichtliche Ursachen von Stillproblemen. Auch war für mich das Abstillen immer sehr natürlich und problemlos.
Why so easy?
Ich habe mir Gedanken gemacht warum es für mich so einfach war und ich denke ich bin auf die Quintessenz gestoßen. Davon ausgehend, dass wir Frauen durch Geburt und Hormone sehr geschwächt sind spielt das Umfeld eine wesentliche Rolle.
Alle Menschen zu denen wir stillenden Mütter Kontakt haben können in irgendeiner Form zum Erfolg oder Misserfolg der Stillbeziehung beitragen. Mit dem Umfeld lebt und stirbt die Sache. Natürlich war ich in der glücklichen Situation mich nicht von irgendwelchem Halbwissen verunsichern zu lassen. Als Tochter einer Laktationsberaterin weiß man immer mehr als die anderen und ist so einfach selbstsicher. Durch mein persönlich angenehmes Umfeld rund ums Stillen war auch das Stillen immer sehr angenehm.
Gesellschaft und Stillen
Jeder weiß um die gesundheitlichen Vorteile der Muttermilch Bescheid nur die Stilldauer bringt viele Menschen in der Gesellschaft in Argwohn. Persönlich finde ich, dass die Stilldauer sehr individuell ist. Individuell sollte sie jedoch abgestimmt auf die Bedürfnisse des Kindes und der Mutter sein. Auf die Frage ob ich noch stille (bei meinen 2 vorigen Buben) kann ich nur sagen: Mind your own business !! Ich finde das oft vergessen wird, dass das Stillen etwas INTIMES ist und es wirklich niemanden was angeht.
Stillen – der Atem meiner Zeit
Viele wissen nicht einmal, dass die WHO Stillen bis zum Alter von 2 Jahren und darüber hinaus dringlichst empfiehlt also ist da noch lange nicht von LANGZEITSTILLEN die Rede. Vielleicht sollte man einfach einmal sein Halbwissen in Wissen umwandeln.
Was ich auch noch interessant finde, dass jeder nach meinem Schlaf fragt bzw. ob das Kind doch viel in der Nacht trinkt. Es soll beim Stillen keine Zeitvorgabe geben sondern es sollte ad libitum frei nach Bedürfnis des Kindes gestillt werden. Und ob mein Sohn in der Nacht mehr trinkt oder nicht? Ich habe ehrlich gesagt keine Ahnung, weil für mich das Stillen über die Jahre wie das ATMEN geworden ist. Es ist natürlich und geht ganz automatisch und ist Teil meines Schlafes und meines Alltags. Ich schlafe nicht schlechter, weil ich stille !!!!!!!!!
Die Vorstellung, dass ein Kind einen gewissen Stillrhythmus haben sollten kommt aus der Zeit, wo man Kinder noch mit schwerer Beikost zugefüttert hat und wo dieser Rhythmus dann eben notwendig war um Kinder gesundheitlich nicht zu überfordern.
Ein Kind ist im Mutterleib über die Nabelschnur durchgehend versorgt und so sollte es beim Stillen nicht anders sein. Auch ist es wichtig zu wissen, dass Umweltfaktoren ein Kind stark in seinem Saugbedürfnis beeinflussen.
Das bedeutet ein Kind saugt nicht immer, weil es Hunger hat. Ein Säugling, welches beispielsweise einen schwereren Start ins Leben hatte weist immer schon ein höheres Saugbedürfnis auf. Mit diesem Wissen kann man diesem Stress zum Beispiel sehr gut entgegenwirken.
Stillen und Bindung
Stillen passiert über alle 5 Sinne und dafür gibt es keine Alternative. Wenn zwei Menschen Zärtlichkeiten austauschen und sich glücklich und entspannt dabei fühlen, produziert der Körper Oxytocin- beim Stillen aber auch beim Sexualakt. Dieses Liebeshormon verstärkt unsere emotionalen Bindungen.Wenn man ständig von äußeren Umständen abgelenkt wird schwindet dieses intensives Gefühl das bedeutet Stillen braucht Zeit.
Stillen und Partnerschaften
Stillen ist ja nicht jederMANNs Sache aber ich hatte das Glück einen solchen an meiner Seite zu haben, der mich nur ab und zu mal gefragt hat, ob ich doch jetzt bald abstillen wollte, weil er die Fantasie hegte endlich seine „kindlichen Bedürfnissen“ öfter stillen zu können aber auch wieder mehr Platz im Bett zu bekommen.
Im Endeffekt ist er auch an der Sache gewachsen und naja wirklich viel Platz hat er immer noch nicht 🙂 Seine Meinung war für mich nicht notwendig was das Stillen anbelangte jedoch für unsere Beziehung war sie wesentlich. Gerade in der Anfangsstillzeit merke ich, wie schnell sich auch der Partner vernachlässigt fühlen kann…
Mutter und Kind
Die bedeutendste Rolle spielt das Stillen für die Bindung zwischen Mutter und Kind. Nahe am Herzschlag der Mutter zu sein ist für das Kind ein wichtiges Signal, die Produktion von Stresshormonen einzustellen.
Das erste Lebensjahr des Babys ist gekennzeichnet von der Erforschung des mütterlichen Gesichtes mit gesteigerter Intensität, vor allem der Augen der Mutter. Je stärker das Interesse am Gesicht der Mutter ist, desto höher die Endorphinausschüttung des Kindes und die Aktivierung des autonomen Nervensystems, was zu erhöhtem Sauerstoffverbrauch und Stoffwechsel anregt. Durch positives Bindungsverhalten zwischen Eltern und Säugling entsteht ein Dialog und der Gefühlszustand beider Teile kann einander angeglichen werden.
Durch Aufmerksamkeit kann sich jeder auf die Signale des anderen einstellen. Das Baby stellt den Rhythmus auf seine Mutter ein und die Mutter erkennt die Bedürfnisse des Babys. Diese Interaktion ist das Gerüst für die emotionale Stabilität des Säuglings.
Forschungen zeigen, dass Gehirnzellen wachsen und sich verändern. Dies ist eine Reaktion auf eine Reizabfolge. Feinfühlig reagierende Eltern schaffen eine stabile Grundlage, damit das Kind seine Entdeckungen machen kann. Der Gesichtsausdruck der Eltern dient dabei dem Kind als Leitsystem. Das Gesicht der Mutter gibt die Antwort.
Die WHO empfiehlt ausschließlich volles Stillen eines Säuglings bis zum sechsten Lebensmonat und ein Teilstillen bis zum Alter von 2 Jahren und darüber hinaus.
Benefits rund ums Stillen
Die positiven Auswirkungen des Stillens im Kontext auf die Gehirnentwicklung und menschliche Bindungen ist unerlässlich. Die wissenschaftlichen Hinweise für die positiven Auswirkungen auf die körperliche Gesundheit sind überwältigend. Einige Beispiele:
- Mütter, die ihre Kinder selbst nur drei Monate stillen, reduzieren das Risiko von plötzlichem Kindstod, Lungen- und Ohrenentzündung, Allergien, Fettleibigkeit, Meningitis, Morbus Crohn, Kolitis, Zirrhose und Lymphome.
- Saugt der Säugling an der Mutterbrust, werden in der Mutter wie im Säugling neunzehn verschiedene gastrointestinale Hormone ausgeschüttet, unter anderem Cholosystokinin und Gastrin, die das Wachstum von Darmzotten bei Baby und Mutter stimulieren und den Kalorienverbrauch steigern.
- Wenn die Lippen des Säuglings in den Stunden post Partum die Brustwarze der Mutter berühren, führt dies dazu, dass die Mutter ihr Baby 100 Minuten länger bei sich im Zimmer behalten will als Mütter, bei denen es diese Berührung nicht gab.
- Stillen Mütter ihre Babys gleich nach der Geburt, dann können sie problemlos längere Zeit stillen.
- Viele Untersuchungen zeigen, dass Stillen Diabetes bei Kindern hinauszögert oder verhindert.
- Säuglinge, die mit künstlicher Säuglingsmilch ernährt werden, leiden durchschnittlich 6,9-mal so oft an dehydrierten Durchfällen wie gestillte Kinder.
- Gestillte Kinder haben eine stärkere Immunabwehr, besseres Sehvermögen und einen höheren IQ als nicht gestillte Säuglinge.
- Viele Untersuchungen zeigen, dass Stillen Diabetes bei Kindern hinauszögert oder verhindert.
- Säuglinge, die mit künstlicher Säuglingsmilch ernährt werden, leiden durchschnittlich 6,9-mal so oft an dehydrierten Durchfällen wie gestillte Kinder.
- Australischen Forschungen zu Folge haben gestillte Kinder ein deutlich geringeres Risiko, im späteren Leben an Asthma zu erkranken.
- Frauen über 40, die als Säuglinge gestillt wurden, haben ein um 25 Prozent geringeres Risiko an Brustkrebs zu erkranken.
- Stillende Mütter verringern das Risiko eine Wochenbettdepression und später eine Osteoporose oder Krebs zu erleiden, als Mütter die nicht stillen.
- Durch das Stillen erreichen Mütter ihr früheres Körpergewicht leichter, der nächste Eisprung verzögert sich, so dass der Abstand zwischen den Kindern größer und das Risiko an Eierstockkrebs und Brustkrebs vor der Menopause zu erkranken gesenkt wird. (Vgl. Verny, Weintraub (2003): Das Baby von Morgen, Rogner und Bernhard, S.119)
Stillen WELTWEIT
Die Bedeutung von Stillen wird derzeit in der Gesellschaft sehr in Frage gestellt. Die USA haben Medienberichten zufolge versucht, einen Beschluss der Weltgesundheitsorganisation WHO zu verhindern, der das Stillen von Babies stärker fördern soll. Die Resolution war von verschiedenen Ländern unter der Federführung von Ecuador eingebracht worden. Die Länder forderten im Prinzip, stärker zu beachten, wofür die WHO seit Jahrzehnten einsteht.
Der New York Times zufolge soll die US-Delegation Ecuador Handelsbeschränkungen und die Einschnitte bei der militärischen Unterstützung angedroht haben. Das Land zog daraufhin sein Engagement in Sachen Babyernährung zurück. Auch andere Staaten zögerten, sich weiter für das Stillen stark zu machen. Am Ende brachte Russland die Resolution ein. Also man kann über Russland schimpfen soviel man will, aber man sieht wie wichtig es ist einen Gegenpol zu den USA zu haben. Lobbyismus und wirtschaftliche Hintergedanken HALLO !! Inwieweit die milliardenschwere Babynahrungs-Industrie hinter dem Ansinnen steht, lässt sich da nur vermuten.
Ein anderer Vorfall wie mit dem Thema Stillen in der Gesellschaft umgegangen wird ereignete sich im Juli in Alabama (USA). Eine Amerikanerin wurde angefeindet, weil sie ihr Baby öffentlich stillte. Die Bedienung in einer Pizzeria soll einen Putzlappen auf das Baby gelegt haben, um es zu verhüllen. Oh sooooo sick !!
Da darf es wirklich niemanden wundern, dass Tausende Frauen sich innerhalb der Weltstillwoche zusammengetan haben um in der Öffentlichkeit zu stillen. In der phillipinischen Hauptstadt Manila machten sich Frauen gegen das gesellschaftliche Stigma stark, mit dem öffentliches Stillen behaftet ist. Mit Mottos wie „sich verdecken ist eine Option, kein Muss“ oder „Muttermilch ist ein Geschenk fürs Leben“ trafen sich 2.200 Mütter, um gemeinsam zu stillen.
Zwischenfazit:
Für mich ist es persönlich traurig, dass Stillen in der Öffentlichkeit überhaupt noch ein Thema ist und für viele ein Tabu. ICH STILLE ÜBERALL mir ist das wirklich komplett egal mit wem oder wo ich bin. Das einzige was für mich eine Rolle spielt ist, dass es irgendwie etwas INTIMES bleibt und es in einem Umfeld passiert, wo mein Kind sich geschützt fühlt und nicht zur Schau gestellt. Leider ist das aber in der Realität nicht immer möglich, weil unsere Umgebung nicht sehr stillfreundlich ist. Da sitzt man schon schnell einfach am Boden in einem Museum 🙂
Fazit:
Für MICH ist das Stillen eines der elitärsten Dinge, die es auf dieser Welt gibt und elitär definiert in diesem Fall ein Verhalten nicht einen Status.